210.570 (20S) Mörderisches Recht: Ist etwas wie NS-Recht überhaupt Recht?

Sommersemester 2020

Anmeldefrist abgelaufen.

Erster Termin der LV
05.03.2020 14:00 - 16:00 Z.1.08 On Campus
... keine weiteren Termine bekannt

Überblick

Lehrende/r
LV-Titel englisch Homicidal Law: Is Nazi Law ... Law?
LV-Art Proseminar (prüfungsimmanente LV )
Semesterstunde/n 2.0
ECTS-Anrechnungspunkte 4.0
Anmeldungen 26 (30 max.)
Organisationseinheit
Unterrichtssprache Deutsch
LV-Beginn 05.03.2020
eLearning zum Moodle-Kurs
Seniorstudium Liberale Ja

Zeit und Ort

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LV-Beschreibung

Intendierte Lernergebnisse

Erarbeitung eines differenzierten und kritisch-reflexiven, mithin: philosophischen Zugangs zum Themenkreis Recht und Unrecht, dem Verhältnis von Recht und Ethik/Moral sowie eine Klärung der Begriffe autoritäre, totale und totalitäre Herrschaft aus philosophischer Perspektive und in ideengeschichtlicher Dimension; Einführung in eine Reihe zentraler Themen Politischer Philosophie und Ideologiekritik; methodisch-systematische Erschließung der relevanten Fragestellungen anhand konkreter Texte insbesondere mittels philologisch-kritischer, begriffskritischer und begriffsgeschichtlicher Verfahren. 

Lehrmethodik inkl. Einsatz von eLearning-Tools

Einführender Vortrag des LV-Leiters, Referate, Textanalyse, Filmausschnitte, Diskussion 

Inhalt/e

„Rechtfertigungen des Unrechts“ heißt ein Sammelband, der das „Rechtsdenken des Nationalsozialismus in Originaltexten“ zum Gegenstand hat (Pauer-Studer/Fink 2014). Der Titel besagt, dass das NS-Recht Unrecht gewesen sei. Begründet wird dies vor allem im Blick auf die Abschaffung des liberalen Rechtsstaates und der Demokratie zugunsten eines autoritären bzw. totalitären Staatswesens. Rechtliche Vorstellungen wurden inhaltlich durch Auffassungen einer spezifischen NS-Moral bestimmt. Diese Moralvorstellungen hingen eng mit der antisemitischen bzw. rassistischen Ideologie der Nationalsozialisten, forciert noch innerhalb der SS, sowie der Betonung von Kategorien wie Ordnung, Ehre und Treue zusammen.

Zweifellos lassen sich auf der Basis eines spezifischen inhaltlichen Konzepts von liberalem Rechtsstaat, wie es seit dem 18./19. Jahrhundert langsam erkämpft wurde, Bedenken gegen die Behauptung geltend machen, NS-Recht sei überhaupt Recht. Aus einer formaljuristischen, insbesondere rechtspositivistisch argumentierenden Perspektive verhält es sich anders. Einer rechtspositivistischen Betrachtungsweise zufolge kann Recht jeden beliebigen Inhalt haben. Entscheidend für seine Qualität als Recht ist lediglich sein formal korrektes Zustandekommen. Gesetzt den Fall, NS-Recht wäre rechtstechnisch gesehen Recht gewesen, stehen Probleme grundsätzlicher Art im Raum. So wäre etwa die Frage zu stellen, ob nicht für jedes Recht, das diese Bezeichnung verdienen soll, ethische und/oder moralische Mindeststandards gelten sollen. Doch wer definiert diese auf welcher Grundlage, und wie können/sollen derlei Standards durchgesetzt werden? 

Das Problem ist keinesfalls eines, das sich allein auf das Recht des NS-Staates oder Teile desselben bezieht. Wo immer die Tötung von Menschen oder sonstige schwere Eingriffe in elementare Menschenrechte, wie z. B. Folter, als rechtlich unbedenkliche Angelegenheit gelten sollen, würde es sich stellen. Aktuell ist diesbezüglich etwa an den Bereich von extrajudicial killings zu denken. In deren Rahmen wird die Gerichtsbarkeit umgangen bzw. strafrechtliche Regelungen der betroffenen Staaten sollen nicht anwendbar sein, um zu vermeiden, dass die entsprechenden Handlungen als rechtswidrig qualifiziert werden könnten (so etwa auf den Philippinen unter der Regierung Duterte in deren War on Drugs, oder seitens amerikanischer Regierungen in ihrem War against Terror). Ähnliches gilt für teils heftig geführte Debatten um die Legalisierung von Folter (samt Aufhebung oder Einschränkung des absoluten Folterverbots in Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention [EMRK]). 

Fragen dieser Art werden in der Lehrveranstaltung erörtert, wobei nicht zuletzt die Möglichkeit zur Diskussion steht, ob und inwieweit außerrechtliche Kriterien der Richtigkeit oder auch der Gerechtigkeit als Grundlagen der Geltung von Recht überhaupt behauptet und argumentiert werden können.

Erwartete Vorkenntnisse

Keine

Literatur

Arendt, Hannah: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Antisemitismus, Imperialismus, totale Herrschaft (16. Aufl. München 2013).

Bodin, Jean: Sechs Bücher über den Staat. Buch I–III. Hg. v. Peter C. Mayer-Tasch, übers. u. mit Anmerkungen versehen v. Bernd Wimmer (München 1981). 

Bodin, Jean: Sechs Bücher über den Staat. Buch IV–VI. Hg. v. Peter C. Mayer-Tasch, übers. u. mit Anmerkungen versehen v. Bernd Wimmer (München 1986). 

Donhauser, Gerhard: Angst und Schrecken. Beobachtungen auf dem Weg vom Ausnahmezustand zum Polizeistaat in Europa und den USA (Wien 2015).

Donhauser, Gerhard: Das kälteste aller kalten Ungeheuer. Vom Staat und seinen Krisen (Wien 2018).

Donhauser, Gerhard: Wer hat Recht? Eine Einführung in die Rechtsphilosophie (Wien 2016).

Gross, Raphael: Anständig geblieben. Nationalsozialistische Moral (Frankfurt am Main 2010).

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Grundlinien der Philosophie des Rechts oder Naturrecht und Staatsrecht im Grundrisse. Hg. v. Eva Moldenhauer und Karl Markus Michel (= Hegel, Georg Wilhelm Friedrich, Werke in 20 Bänden, Bd. 7; 3. Aufl. Frankfurt am Main 1993).

Hobbes, Thomas: Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines kirchlichen und bürgerlichen Staates. Hg. u. eingeleitet v. Iring Fetscher, übers. v. Walter Euchner (6. Aufl. Frankfurt am Main 1994).

Kant, Immanuel: Die Metaphysik der Sitten (= Kant, Immanuel: Werkausgabe, Bd. VIII; hg. v. Wilhelm Weischedel. 11. Aufl. Frankfurt am Main 1997).

Kant, Immanuel: Kritik der praktischen Vernunft. Grundlegung der Metaphysik der Sitten (= Kant, Immanuel: Werkausgabe, Bd. VII; hg. v. Wilhelm Weischedel. 12. Aufl. Frankfurt am Main 1993).

Kelsen, Hans: Reine Rechtslehre (2. Aufl. 1960; Nachdruck Wien 2000).

Kletzer, Christoph: Absoluter Positivismus und normativer Monismus. Zur Idee einer Reinen Rechtslehre, in: Jabloner, Clemens et al. (Hg.): Gedenkschrift Robert Walter (Wien 2013) 257–270.

Loidolt, Sophie: Anspruch und Rechtfertigung. Eine Theorie des rechtlichen Denkens im Anschluss an die Phänomenologie Edmund Husserls (= Phaenomenologica 191; Wien/New York 2009).

Pauer-Studer, Herlinde/Fink, Julian (Hg.): Rechtfertigungen des Unrechts. Das Rechtsdenken im Nationalsozialismus in Originaltexten (Berlin 2014).

Perels, Joachim: Das juristische Erbe des „Dritten Reiches“. Beschädigung der demokratischen Rechtsordnung (Frankfurt am Main/New York 1999).

Radbruch, Gustav: Gesetzliches Unrecht und übergesetzliches Recht, in: Süddeutsche Juristenzeitung 1 (1946) 105 ff. 

Rüthers, Bernd: Die Ideologie des Nationalsozialismus in der Entwicklung des deutschen Rechts von 1933 bis 1945, in: Säcker, Franz Jürgen (Hg.): Recht und Rechtslehre im Nationalsozialismus (Baden-Baden 1992) 17 – 36.

Schmitt, Carl: Der Begriff des Politischen. Text von 1932 mit einem Vorwort und drei Corollarien (3. Aufl. Berlin 1991).

Schmitt, Carl: Der Führer schützt das Recht, in: DJZ 39 (1934) 945 ff. 

Schmitt, Carl: Der Weg des deutschen Juristen, in: DJZ 39 (1934) 691 ff.

Schmitt, Carl: Nationalsozialismus und Rechtsstaat, in: Juristische Wochenschrift [JW] 63 (1934) 713 ff.

Shklar, Judith N.: Der Liberalismus der Furcht (1989). In: Shklar, Judith N.: Der Liberalismus der Furcht. Hg. v Hannes Bajohr (Berlin 2013), 26 – 64.

Snyder, Timothy: Der Weg in die Unfreiheit. Russland – Amerika – Europa. Aus dem Englischen übers. v. Ulla Höber u. Werner Roller (München 2018).

Spendel, Günter: Rechtsbeugung durch Rechtsprechung. Sechs strafrechtliche Studien (Berlin et al. 1984).

Prüfungsinformationen

Im Fall von online durchgeführten Prüfungen sind die Standards zu beachten, die die technischen Geräte der Studierenden erfüllen müssen, um an diesen Prüfungen teilnehmen zu können.

Prüfungsmethode/n

Referat (auch Gruppenreferate möglich), Diskussionsbeiträge (Mitarbeit wird ausschließlich positiv berücksichtigt), Abschlussarbeit (ca. 10 – 15 Seiten oder alternativ 2-3 kleinere Arbeiten wie Protokolle, Rezensionen oder kurze Reflexionen).

Prüfungsinhalt/e

Themen der LV.

Beurteilungskriterien/-maßstäbe

Eine eigenständige, reflektierte Beschäftigung mit den Themen der LV soll im Rahmen des Referats und/oder der Abschlussarbeit sowie von Diskussionsbeiträgen erkennbar sein. 

Beurteilungsschema

Note Benotungsschema

Position im Curriculum

  • Besonderer Studienbereich Besonderer Studienbereich Friedensstudien (SKZ: 900, Version: 05S)
    • Fach: Erweiterungsbereich (Freifach)
      • Weitere anrechnungsfähige LVs aus anderen Studienplänen ( 0.0h / 0.0 ECTS)
        • 210.570 Mörderisches Recht: Ist etwas wie NS-Recht überhaupt Recht? (2.0h PS / 4.0 ECTS)
  • Bachelorstudium Philosophie (SKZ: 541, Version: 16W.1)
    • Fach: Praktische Philosophie (Wahlfach)
      • Praktische Philosophie ( 0.0h VO, PS, SE / 36.0 ECTS)
        • 210.570 Mörderisches Recht: Ist etwas wie NS-Recht überhaupt Recht? (2.0h PS / 4.0 ECTS)
          Absolvierung im 1., 2., 3., 4., 5., 6. Semester empfohlen
  • Bachelorstudium Philosophie (SKZ: 541, Version: 10W.2)
    • Fach: Praktische Philosophie (Wahlfach)
      • Praktische Philosophie ( 0.0h XX / 36.0 ECTS)
        • 210.570 Mörderisches Recht: Ist etwas wie NS-Recht überhaupt Recht? (2.0h PS / 4.0 ECTS)
  • Erweiterungscurriculum Ethik (Version: 16W.1)
    • Fach: Ethisches Propädeutikum (Pflichtfach)
      • Ethisches Propädeutikum ( 0.0h PS / 4.0 ECTS)
        • 210.570 Mörderisches Recht: Ist etwas wie NS-Recht überhaupt Recht? (2.0h PS / 4.0 ECTS)

Gleichwertige Lehrveranstaltungen im Sinne der Prüfungsantrittszählung

Diese Lehrveranstaltung ist keiner Kette zugeordnet