210.614 (17W) "Das kälteste der kalten Ungeheuer"? Konzept, Facetten und Krisen des Staates
Überblick
- Lehrende/r
- LV-Titel englisch The State
- LV-Art Proseminar (prüfungsimmanente LV )
- Semesterstunde/n 2.0
- ECTS-Anrechnungspunkte 4.0
- Anmeldungen 20 (30 max.)
- Organisationseinheit
- Unterrichtssprache Deutsch
- LV-Beginn 02.10.2017
- eLearning zum Moodle-Kurs
Zeit und Ort
LV-Beschreibung
Intendierte Lernergebnisse
Erarbeitungeines differenzierten und kritisch-reflexiven, mithin: philosophischen Zugangszum Themenkreis Politik, Staat und Recht,dem Verhältnis von Politik undEthik/Moral sowie Versuche einer Klärung der Begriffe Souveränität, Staatsvolk und Staatsgebietaus philosophischer Perspektive und in ideengeschichtlicher Dimension;Einführung in eine Reihe zentraler Themen Politischer Philosophie undIdeologiekritik; methodisch-systematische Erschließung der relevantenFragestellungen anhand konkreter Texte insbesondere mittelsphilologisch-kritischer, begriffskritischer und begriffsgeschichtlicherVerfahren.
Lehrmethodik inkl. Einsatz von eLearning-Tools
Vortrag, Referate,Textanalysen, Filmausschnitte, Diskussion (Mitarbeit wird positiv berücksichtigt)
Inhalt/e
Nietzsches Zarathustra verkündete bekanntlich: „Staat heisst das kälteste aller kalten Ungeheuer. Kalt lügt es auch; und diese Lüge kreischt aus seinem Munde: ‚Ich, der Staat, bin das Volk.’“ (Nietzsche 1999, 61.) Auf den ersten Blick vielleicht erstaunlicherweise stimmte ausgerechnet Hans Kelsen, Vertreter der rechtspositivistisch orientierten Reine[n] Rechtslehre, dieser Einschätzung zu – und dies an der entsprechenden Stelle keineswegs in staatskritischer Absicht (vgl. Kelsen 2006, 28). Dies hängt vor allem mit Kelsens Verständnis der Basiertheit demokratischer Rechtsstaatlichkeit im Modell der repräsentativen Demokratie zusammen. Zugleich lässt sich, etwa in Hinblick auf das nationalsozialistische Konzept von Staat und Recht unter den Auspizien eines rassistisch aufgeladenen Volksbegriffs, sagen, dass Staatskonzepte umso repressiver werden, je stärker sie emotional aufgeladen sind.
Umgekehrt bleibt festzuhalten, dass das neuzeitliche Konzept des Staates per se ohnehin schon hochgradig repressive Züge aufweist, und dass dies begriffsimmanent zu sein scheint. Das Konzept staatlicher Souveränität, wie es an prominenter Stelle bei Bodin und Hobbes definiert wurde, impliziert nicht nur den Anspruch umfassender und unbegrenzter Gewalt (Bodin), sondern auch dessen Durchsetzbarkeit mittels jenes Schreckens (terror), den die Instrumentarien legaler Bestrafung (Hobbes) ermöglichen. Dem öffentlichkeitswirksam in Szene gesetzten Zerreißen des den Herrscher und/oder den Staat herausfordernden Delinquenten folgt auf dieser Basis die Dressur der gelehrigen Körper der UntertanInnen, wie sie Michel Foucault beschrieben hat, und damit die Möglichkeit, eine in der Tat sehr umfängliche und tiefgehende Form von Herrschaft auszuüben. Gegen alle Bemühungen um Domestizierung des „Ungeheuers“, etwa im Modus des liberalen Rechtsstaates, wurde immer wieder der alte Anspruch entgrenzter Souveränität behauptet und reaktiviert, sei es unter den Auspizien nationalstaatlichen Expansionsdranges, sei es im Blick auf angebliche oder tatsächliche Bedrohungen von außen, denen nur unter konsequentem Rückgriff auf die eigentlichen Grundlagen von Staatlichkeit begegnet werden könne, kurz einer Berufung auf Krisen aller Art.
Doch auch die dem Begriff der Souveränität heute komplementär gedachten, im Grunde aber erst im 19. Jahrhundert formulierten Begriffe des Staatsvolkes und des Staatsgebietes bieten vielfache theoretische wie praktische Sprengkraft. Wer gehört zu einem Staat, auf welcher Basis? Spielt die Frage individuellen Wollens hier eine Rolle? Inwieweit werden in diesem Zusammenhang bis heute Konzepte wie Geburt, Herkunft, Sprache oder ethnische Zugehörigkeit wirksam und was lässt sich dazu sagen bzw. dagegen einwenden? Und über welches Territorium verfügt ein Staat respektive darf er verfügen? Wer erteilt allenfalls die Erlaubnis – die Gemeinschaft der anderen Staaten oder das eigene Waffenarsenal?
Erwartete Vorkenntnisse
Keine, außer Interesse am Themenfeld und Diskussionsbereitschaft
Literatur
Bodin, Jean, Sechs Bücher über den Staat. Buch I–III. Hg. u. übers. v. Peter C. Mayer-Tasch (München 1981).
Depenheuer, Otto: Selbstbehauptung des Rechtsstaates (Paderborn et al. 2007).
Donhauser, Gerhard: Angst und Schrecken. Beobachtungen auf dem Weg vom Ausnahmezustand zum Polizeistaat in Europa und den USA (Wien 2015).
Donhauser, Gerhard: Freiheit im Rechtsstaat. Zentrale Themen, Perspektiven und Grenzen von Kelsens Demokratiekonzept. In: Jabloner, Clemens et al. (Hg.): Gedenkschrift Robert Walter (Wien 2013) 101 – 122.
Donhauser, Gerhard: Wer hat Recht? Eine Einführung in die Rechtsphilosophie (Wien 2016).
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Grundlinien der Philosophie des Rechts oder Naturrecht und Staatsrecht im Grundrisse. Hg. v. Eva Moldenhauer und Karl Markus Michel (= Hegel, Georg Wilhelm Friedrich, Werke in 20 Bänden, Bd. 7; 3. Aufl. Frankfurt am Main 1993).
Hobbes, Thomas: Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines kirchlichen und bürgerlichen Staates. Hg. u. eingeleitet v. Iring Fetscher, übers. v. Walter Euchner (6. Aufl. Frankfurt am Main 1994).
Kelsen, Hans: Vom Wesen und Wert der Demokratie (1920). In: Kelsen, Hans, Verteidigung der Demokratie, hg. v. Matthias Jestaedt u. Oliver Lepsius (Tübingen 2006) 1 – 33.
MacKinnon, Catharine A., Towards a Feminist Theory oft he State (2nd ed. London 1991).
Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra I, Vom neuen Götzen, in: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra (= Nietzsche, Friedrich: Kritische Studienausgabe, hg. v. Giorgio Colli u. Mazzino Montinari, Bd 4; München/New York 1999).
Nussbaum, Martha C.: Political emotions. Why love matters for justice (Cambridge, Mass. et al. 2013).
Pauer-Studer, Herlinde: Einleitung: Rechtfertigungen des Unrechts. Das Rechtsdenken im Nationalsozialismus, in: Pauer-Studer, Herlinde/Fink, Julian (Hg.): Rechtfertigungen des Unrechts. Das Rechtsdenken im Nationalsozialismus in Originaltexten (Berlin 2014) 15 – 139.
Schirach, Ferdinand v.: Terror. Ein Theaterstück und eine Rede (München 2016).
Schmitt, Carl: Theorie des Partisanen. Zwischenbemerkung zum Begriff des Politischen (3., unveränderte Aufl. Berlin 1992).
Prüfungsinformationen
Prüfungsmethode/n
Referate, Mitarbeit, Abschlussarbeit (10-15 Seiten)
Prüfungsinhalt/e
Themen der LV
Beurteilungskriterien/-maßstäbe
Eine eigenständige, reflektierte Beschäftigung mit den Themen der LV und insbesondere mit dem für die Abschlussarbeit und/oder das Referat gewählten Spezialthema soll erkennbar sein. Wichtig, insbesondere für die Abschlussarbeit, sind kohärente und konsistente Argumentation, Verwendung von themenrelevanter Literatur und Bezugnahme auf diese (Zitierweise nach Wahl, doch sollte das gewählte Modell konsequent beibehalten werden). Ansonsten ist für die Beurteilung vor allem engagierte Beteiligung an Diskussionen und die eigenständige Beschäftigung mit Texten, die im Rahmen der LV besprochen werden, von großer Bedeutung.
Beurteilungsschema
Note BenotungsschemaPosition im Curriculum
- Besonderer Studienbereich Besonderer Studienbereich Friedensstudien
(SKZ: 900, Version: 05S)
-
Fach: Erweiterungsbereich
(Freifach)
-
Weitere anrechnungsfähige LVs aus anderen Studienplänen (
0.0h / 0.0 ECTS)
- 210.614 "Das kälteste der kalten Ungeheuer"? Konzept, Facetten und Krisen des Staates (2.0h PS / 4.0 ECTS)
-
Weitere anrechnungsfähige LVs aus anderen Studienplänen (
0.0h / 0.0 ECTS)
-
Fach: Erweiterungsbereich
(Freifach)
- Bachelorstudium Philosophie
(SKZ: 541, Version: 16W.1)
-
Fach: Praktische Philosophie
(Wahlfach)
-
Praktische Philosophie (
0.0h VO, PS, SE / 36.0 ECTS)
- 210.614 "Das kälteste der kalten Ungeheuer"? Konzept, Facetten und Krisen des Staates (2.0h PS / 4.0 ECTS) Absolvierung im 1., 2., 3., 4., 5., 6. Semester empfohlen
-
Praktische Philosophie (
0.0h VO, PS, SE / 36.0 ECTS)
-
Fach: Praktische Philosophie
(Wahlfach)
- Bachelorstudium Philosophie
(SKZ: 541, Version: 10W.2)
-
Fach: Praktische Philosophie
(Wahlfach)
-
Praktische Philosophie (
0.0h XX / 36.0 ECTS)
- 210.614 "Das kälteste der kalten Ungeheuer"? Konzept, Facetten und Krisen des Staates (2.0h PS / 4.0 ECTS)
-
Praktische Philosophie (
0.0h XX / 36.0 ECTS)
-
Fach: Praktische Philosophie
(Wahlfach)
- Masterstudium Philosophie
(SKZ: 941, Version: 10W.1)
-
Fach: Praktische Philosophie und ihre Geschichte
(Wahlfach)
-
Praktische Philosophie und ihre Geschichte (
0.0h XX / 24.0 ECTS)
- 210.614 "Das kälteste der kalten Ungeheuer"? Konzept, Facetten und Krisen des Staates (2.0h PS / 4.0 ECTS)
-
Praktische Philosophie und ihre Geschichte (
0.0h XX / 24.0 ECTS)
-
Fach: Praktische Philosophie und ihre Geschichte
(Wahlfach)
- Erweiterungscurriculum Ethik
(Version: 16W.1)
-
Fach: Praktische Ethik
(Pflichtfach)
-
Praktische Ethik (
0.0h VO / 4.0 ECTS)
- 210.614 "Das kälteste der kalten Ungeheuer"? Konzept, Facetten und Krisen des Staates (2.0h PS / 4.0 ECTS)
-
Praktische Ethik (
0.0h VO / 4.0 ECTS)
-
Fach: Praktische Ethik
(Pflichtfach)