210.351 (22W) Tyrannis, Tyrann, Tyrannenmord

Wintersemester 2022/23

Anmeldefrist abgelaufen.

Erster Termin der LV
06.10.2022 14:00 - 16:00 HS 1 On Campus
... keine weiteren Termine bekannt

Überblick

Bedingt durch die COVID-19-Pandemie können kurzfristige Änderungen bei Lehrveranstaltungen und Prüfungen (z.B. Absage von Präsenz-Lehreveranstaltungen und Umstellung auf Online-Prüfungen) erforderlich sein.

Weitere Informationen zum Lehrbetrieb vor Ort finden Sie unter: https://www.aau.at/corona.
Lehrende/r
LV-Titel englisch Tyrannis, Tyrant, Tyrann's murder
LV-Art Vorlesung
LV-Modell Präsenzlehrveranstaltung
Semesterstunde/n 2.0
ECTS-Anrechnungspunkte 4.0
Anmeldungen 68
Organisationseinheit
Unterrichtssprache Deutsch
LV-Beginn 06.10.2022
eLearning zum Moodle-Kurs
Seniorstudium Liberale Ja

Zeit und Ort

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LV-Beschreibung

Intendierte Lernergebnisse

Erarbeitung eines differenzierten und kritisch-reflexiven Zugangs zu den Themenkreisen Politik, autoritärerStaat, Despotie, Tyrannis, Diktatur, Recht, Widerstand, ziviler Ungehorsam, aus politik- und rechtstheoretischer Perspektive sowie in ideengeschichtlicher Dimension; Sensibilisierung für die Interdependenz politischer Phänomene in internationaler Perspektive; Einführung in eine Reihe zentraler Themen Politischer Philosophie und Ideologiekritik; methodisch-systematische Erschließung der relevanten Fragestellungen anhand konkreter Texte insbesondere mittels begriffskritischer und begriffsgeschichtlicher Verfahren. 

Lehrmethodik

Vortrag des LV-Leiters, Referate, Textanalyse, Filmausschnitte, Diskussion (Mitarbeit wird positiv berücksichtigt).

Inhalt/e

Nachdem Caius Cassius, Marcus Iunius Brutus und einige andere Senatoren Caius Iulius Caesar im Senat ermordete hatten, sollen sie ihr Verhalten damit begründet haben, dass der dictator sich zum König (rex) hätte aufschwingen wollen, zu einem despotischen Autokraten. Der dem Brutus zugeschriebene Satz „Sic semper tyrannis!“ bekundet den grundsätzlichen Anspruch, sich derlei nicht gefallen zu lassen. Wie ließe sich ein solcher Anspruch allerdings begründen? Kann es unter ethischen, politischen oder auch rechtlichen Aspekten vertretbar oder sogar gefordert sein, gegen bestimmte Formen politischen Handelns gewaltförmigen Widerstand zu leisten? Mit juristischen Mitteln scheinen derlei Fragen nicht wirklich lösbar. Auf einer moralisch-ethischen Ebene ist zu bedenken, dass es keine für alle Menschen überhaupt oder auch nur innerhalb einer bestimmten Gesellschaft allgemein gültige Moral oder auch Ethikkonzeption gibt bzw. geben kann. Moralische bzw. ethische Überzeugungen basieren auf unterschiedlichen Grundlagen, die ihrerseits keiner einheitlichen oder abschließenden Interpretation zugänglich sind. Manche stehen sogar in offenem Widerstreit zueinander. 

Gleichwohl scheint das Konzept der Tyrannis in seiner negativ eingefärbten Bedeutung gerade im 20. Jahrhundert mehrere Revivals erlebt zu haben und gegenwärtig wieder als Perspektive zu begegnen. Dabei gilt es zu bedenken, dass TyrannInnen ihre Herrschaft kaum je erlangen oder ausüben, ohne zumindest auf stillschweigende Zustimmung zahlreicher UntertanInnen rechnen zu können. So gilt es zunächst, den Begriff des/der Tyrannen/Tyrannin zu klären oder zumindest einzugrenzen. Ganz allgemein wird man Despotinnen/Despoten oder autokratische Gewalt- bzw. WillkürherrscherInnen mit dem Begriff in Verbindung bringen können. Die Probleme stecken naturgemäß im Detail. Abgesehen davon stellt sich vor jeder Frage nach allfälliger ethisch-moralischer Legitimierbarkeit von Tyrannensturz  oder -mord jene nach dem Aufstieg des Tyrannen/der Tyrannin. In diesem Zusammenhang ist in der zeitgenössischen medialen und politiktheoretischen Diskussion nicht allein an schleichende Etablierung autoritärer Verhältnisse auf der Grundlage demokratischer Entscheidungen, sondern die immer wieder geäußerte Überlegung zu denken, es bedürfe in außergewöhnlichen Situationen, in Ausnahme- und Ernstfällen zumindest vorübergehend einer Art Diktatur im klassisch römisch-republikanischen Stil, also einer zeitlich und vielleicht auch sachlich begrenzten autoritären Herrschaft. Diese Überlegungen wurden bereits von Machiavelli in die neuzeitliche politische Diskussion eingebracht, im 20. Jahrhundert etwa von namhaften Politik- und Rechtstheoretikern wie Clinton Rossiter oder William Rehnquist wieder aufgegriffen und wortreich verteidigt. Carl Schmitt hat sich ebenfalls dieser Thematik gewidmet, sehr ausführlich, und bekanntlich den Weg zur souveränen Diktatur vor- sowie selbst eingeschlagen, die ihm offenbar erstrebenswert schien, einer entgrenzten autoritären Herrschaft, zeitlich wie sachlich. Diese Art Diktatur steht zweifellos ganz unverhohlen einer despotischen, in pejorativem Sinne tyrannischen Herrschaftsform nahe. Wie also entstehen autoritäre, despotische, tyrannische Herrschaftsformen, wie „aufhaltsam“ sind sie, und wie lassen sie sich gegebenenfalls aufhalten? Auf welche ethisch-moralische Argumentationsbasis ließe sich dabei zurückgreifen? Die zweite Frage verschärft sich, wenn etwa der demokratische Wille auf die Eliminierung demokratischer Verhältnisse oder deren Voraussetzungen gerichtet ist oder angebliche bzw. tatsächliche Notlagen entschlossenes, autoritäres und repressives Handeln zu verlangen scheinen.

Erwartete Vorkenntnisse

Keine

Literatur

Adorno, Theodor W.: Erziehung zur Mündigkeit. Vorträge und Gespräche mit Hellmut Becker 1959–1969 (Frankfurt am Main 2008).

Agamben, Giorgio, Ausnahmezustand (= Homo sacer II. 1). Aus dem Italienischen v. Ulrich Müller-Schöll (Frankfurt am Main 2004). 

Agamben, Giorgio, Homo sacer. Die souveräne Macht und das nackte Leben (2. Aufl. Frankfurt am Main 2002).

Aigner, Isolde/Paul, Jobst/Wamper, Regina (Hg.): Autoritäre Zuspitzung. Rechtsdruck in Europa (Münster 2017). 

Albright, Madeleine: Faschismus. Eine Warnung. Übers. v. Bernd Jendricke, Thomas Wollermann, Kollektiv Druck-Reif (Köln 2018).

Arendt, Hannah: Macht und Gewalt (25. Aufl. München 2015).

Brecht, Bertolt: Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui. Mit einem Kommentar v. Annabelle Köhler (Frankfurt am Main 2004).

Donhauser, Gerhard: Angst und Schrecken. Die Idee des Terrors als Mittel und Schreckgespenst politischen und rechtlichen Denkens (Wien 2014).

Donhauser, Gerhard: Das kälteste aller kalten Ungeheuer. Vom Staat und seinen Krisen (Wien 2019).

Dworkin, Ronald, Bürgerrechte ernstgenommen (Frankfurt am Main 1990).

Greenblatt, Stephen: Der Tyrann. Shakespeares Machtkunde für das 21. Jahrhundert. Aus dem Englischen von Martin Richter (Berlin 2018).

Machiavelli, Niccolò: Discorsi, in: Machiavelli, Niccolò: Politische Schriften. Hg. v. Herfried Münkler. Aus dem Italienischen v. Johannes Ziegler u. Franz Nikolaus Baur (Frankfurt am Main 1991) 127.

Milgram, Stanley: Das Milgram-Experiment. Zur Gehorsamsbereitschaft gegenüber Autoritäten (17. Aufl. Reinbek 2012).

Miller, Alice: Am Anfang war Erziehung (14. Aufl. Frankfurt am Main 2010).

Rehnquist, William H., All the Laws but One: Civil Liberties in Wartime (New York 1998). 

Rossiter, Clinton L.: Constitutional Dictatorship. Crisis Government in the Modern Democrazies (New York 1948).

Roth, Klaus / Ladwig Bernd / Klein, Eckart (Hg.): Recht auf Widerstand? Ideengeschichtliche und philosophische Perspektiven (Potsdam 2006).

Saracino, Stefano: Tyrannis und Tyrannenmord bei Machiavelli. Zur Genese einer antitraditionellen Auffassung politischer Gewalt, politischer Ordnung und Herrschaftsmoral (München 2012).

Schmitt, Carl: Der Begriff des Politischen. Text von 1932 mit einem Vorwort und drei Corollarien (3. Aufl. Berlin 1991).

Schmitt, Carl: Die Diktatur (7. Aufl. Berlin 2006). 

Snyder, Timothy: Der Weg in die Unfreiheit. Russland – Amerika – Europa. Aus dem Englischen übers. v. Ulla Höber u. Werner Roller (München 2018).

Snyder, Timothy: Über Tyrannei. Zwanzig Lektionen für den Widerstand. Aus dem Amerikanischen v. Andreas Wirthensohn (München 2017).

Prüfungsinformationen

Im Fall von online durchgeführten Prüfungen sind die Standards zu beachten, die die technischen Geräte der Studierenden erfüllen müssen, um an diesen Prüfungen teilnehmen zu können.

Prüfungsmethode/n

  • Mündliche Prüfung (primäre Prüfungsmethode)
    Konkret: 4 Fragen, Thesen, Zitate, von denen 2 ausgewählt und erörtert werden sollen. Wir unterhalten uns im Rahmen einer Videokonferenz.
    Keine Ja-Nein-Fragen und auch keine reine Reproduktion von „Faktenwissen“; erbeten sind Ausführungen (in Form vollständiger Sätze), die ein gewisses Maß an kritischer Auseinandersetzung mit den gewählten Themen erkennen lassen. Die Fragen werden weit genug formuliert sein, um ganz unterschiedliche Zugänge zu ermöglichen. Die Ausführungen können wahlweise auf Deutsch oder Englisch, gerne auch auf Französisch erfolgen. Den Reader können Sie gerne zur Prüfung mitnehmen.
    Zeitrahmen für die Prüfungen: jeweils ca. 20 Minuten.
    4-5 Prüfungstermine, bedarfsorientiert.
  • Kleine  Arbeiten als Alternative zur mündlichen Prüfung. In diesem Fall wären 3 Texte zu erörtern. 
  • Referate (als dritte mögliche Variante).
  • Mitarbeit bzw. wiederholte Diskussionsteilnahme während der VO ist ausdrücklich erwünscht und kann – ausschließlich in positivem Sinne – in die Note einfließen. 

In begründeten Einzel- und Bedarfsfällen können im Übrigen auch abweichende Lösungen vereinbart werden.

Prüfungsinhalt/e

Themen der Vorlesung

Beurteilungskriterien/-maßstäbe

Eine eigenständige, reflektierte Beschäftigung mit den Themen der LV soll im Rahmen der Prüfung (VO), eines allfälligen Referats sowie von Diskussionsbeiträgen erkennbar sein.
Wichtiger als die Reproduktion von Wissensbeständen ist aus meiner Sicht erkennbare Beschäftigung mit Themen und Problemstellungen der VO. Deshalb werden bei der Prüfung offene Fragen gestellt, die in so beantwortet werden sollen, dass eine kohärente und konsistente Argumentation Ausdruck findet, desgleichen eine zumindest rudimentäre Beschäftigung mit themenrelevanter Literatur und Bezugnahme auf diese. Im Übrigen wird jede Form von Mitarbeit positiv bewertet, auch dies fließt insofern in die Beurteilung ein.


Beurteilungsschema

Note Benotungsschema

Position im Curriculum

  • Bachelorstudium Philosophie (SKZ: 541, Version: 20W.1)
    • Fach: Geschichte der Philosophie (Wahlfach)
      • 2.1 VO aus Geschichte der Philosophie ( 0.0h VO / 4.0 ECTS)
        • 210.351 Tyrannis, Tyrann, Tyrannenmord (2.0h VO / 4.0 ECTS)
          Absolvierung im 1., 2., 3., 4., 5. Semester empfohlen
  • Bachelorstudium Philosophie (SKZ: 541, Version: 20W.1)
    • Fach: Geschichte der Philosophie (Wahlfach)
      • 2.4 VO/PS/SE aus Geschichte der Philosophie ( 0.0h VO, PS, SE / 16.0 ECTS)
        • 210.351 Tyrannis, Tyrann, Tyrannenmord (2.0h VO / 4.0 ECTS)
          Absolvierung im 1., 2., 3., 4., 5. Semester empfohlen
  • Bachelorstudium Philosophie (SKZ: 541, Version: 20W.1)
    • Fach: Thematische Vertiefung (Wahlfach)
      • VO/PS/SE aus Geschichte der Philosophie/ Theoretische Philosophie/ Praktische Philosophie ( 0.0h VO, PS, SE / 12.0 ECTS)
        • 210.351 Tyrannis, Tyrann, Tyrannenmord (2.0h VO / 4.0 ECTS)
          Absolvierung im 6. Semester empfohlen
  • Bachelorstudium Philosophie (SKZ: 541, Version: 16W.1)
    • Fach: Geschichte der Philosophie (Wahlfach)
      • Geschichte der Philosophie ( 0.0h VO, PS, SE / 32.0 ECTS)
        • 210.351 Tyrannis, Tyrann, Tyrannenmord (2.0h VO / 4.0 ECTS)
          Absolvierung im 1., 2., 3., 4., 5., 6. Semester empfohlen
  • Masterstudium Philosophie (SKZ: 941, Version: 10W.1)
    • Fach: Praktische Philosophie und ihre Geschichte (Wahlfach)
      • Praktische Philosophie und ihre Geschichte ( 0.0h XX / 24.0 ECTS)
        • 210.351 Tyrannis, Tyrann, Tyrannenmord (2.0h VO / 4.0 ECTS)

Gleichwertige Lehrveranstaltungen im Sinne der Prüfungsantrittszählung

Es liegt keine gleichwertige Lehrveranstaltung im Sinne der Prüfungsantrittszählung vor.