210.609 (22S) Hass. Zu Formen öffentlicher Feindbildgenerierung als Mittel politischer Wir-Gruppen-Bildung

Sommersemester 2022

Anmeldefrist abgelaufen.

Erster Termin der LV
03.03.2022 14:00 - 16:00 Online Off Campus
... keine weiteren Termine bekannt

Überblick

Bedingt durch die COVID-19-Pandemie können kurzfristige Änderungen bei Lehrveranstaltungen und Prüfungen (z.B. Absage von Präsenz-Lehreveranstaltungen und Umstellung auf Online-Prüfungen) erforderlich sein.

Weitere Informationen zum Lehrbetrieb vor Ort finden Sie unter: https://www.aau.at/corona.
Lehrende/r
LV-Titel englisch xxx
LV-Art Vorlesung
LV-Modell Präsenzlehrveranstaltung
Semesterstunde/n 2.0
ECTS-Anrechnungspunkte 4.0
Anmeldungen 83
Organisationseinheit
Unterrichtssprache Deutsch
mögliche Sprache/n der Leistungserbringung Deutsch
LV-Beginn 03.03.2022
eLearning zum Moodle-Kurs
Seniorstudium Liberale Ja

Zeit und Ort

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LV-Beschreibung

Intendierte Lernergebnisse

Erarbeitung eines differenzierten und kritisch-reflexiven Zugangs zum Themenkreis Gesellschaft, soziale und kulturelle Identitäten, Identität und Alterität, Inklusion und Exklusion; Einführung in zentrale kultur- und sozialphilosophische Themen; methodisch-systematische Erschließung der relevanten Fragestellungen anhand konkreter Texte mittels philologisch-kritischer, begriffskritischer und begriffsgeschichtlicher Verfahren. 

Lehrmethodik

Vortrag, Diskussion, gemeinsame Lektüren. Ein Reader zur VO wird zur Verfügung gestellt.

Inhalt/e

Die Entladung von Hass im Internet, in sozialen Netzwerken zumal, verbunden mit einer sehr expliziten Sprache, erscheint inzwischen als Alltagsphänomen. Damit auch nichts besonders Hässliches verloren geht, stehen Retweets oder vergleichbare Weiterleitungsmöglichkeiten zur Verfügung. Die Hassobjekte sind prinzipiell variabel, feindselige Bezugnahmen auf sie allerdings tendenziell geeignet, identitätsstiftendeWirkung innerhalb bestimmter Gruppen zu entfalten, wobei sich selbige möglicherweise überhaupt erst auf Basis geteilter Feindbilder als Wir-Gruppen konstituieren.

Dass dies auch außerhalb sozialer Netzwerke funktioniert, konnte beispielsweise zu Beginn des Jahres 2021 beobachtet werden, als es dem damals noch amtierenden US-Präsidenten Donald Trump gelang, eine große Zahl an Anhängerinnen und Anhängern zu Protesten in Washington zu motivieren. In einer einstündigen Brandrede gegen jene, die seiner unbewiesenen Behauptung zufolge einen gewaltigen „Wahlbetrug“ an ihm verübt hätten, vermochte es Trump sodann, einen großen Teil dieser Demonstrantinnen und Demonstranten zur Erstürmung des Kapitols anzustacheln. Am Ende waren fünf Menschen tot, und die Institutionen der repräsentativen Demokratie schienen ernsthaft beschädigt, nicht nur in den Vereinigten Staaten.

Zum Feind / zur Feindin kann letzten Endes wohl jede/r erkoren werden. Viel hängt offenbar von konkreten Umständen, vorhandenen Klischees, politischen Opportunitäten und medialen Handlungsmöglichkeiten ab. Politisches Interesse an der Generierung bzw. Aktualisierung von Feindbildern hängt wohl nicht zuletzt mit dem Bemühen um bestimmte Formen sozialer Identitätsbildungen zusammen. Letztere haben in jedem Fall mit Sprache zu tun, mit kollektiven Erinnerungen und kulturellem Gedächtnis. Wie es scheint, können sie unter anderem (auch) über Ein- und Ausgrenzungen erfolgen, wobei „asymmetrische Gegenbegriffe“ (Reinhart Koselleck) in Gestalt von „Freund-Feind“-Dichotomien (Carl Schmitt) manifest und politisch umso wirksamer werden können, wenn sie mit „feindlichen Gefühlen“ (Aurel Kolnai) aufgeladen einhergehen.
Hass ist ein solches Gefühl, offenbar zudem eines, das für Zwecke (im weitesten Sinn) politisch motivierter Gruppenbildung besonders gut geeignet zu sein scheint.

Welche eigenen Persönlichkeitsanteile suchen solchermaßen affizierbare Personen jeweils abzuwehren? Und können liberale (oder sich doch so definierende) politische Gemeinwesen hier strukturell gegensteuern bzw. erachten sie dies überhaupt als opportun? Nicht zuletzt: Was bedeutet „soziale Identität“, und lässt sich der Begriff im Singular überhaupt denken? Kommen Gesellschaften umgekehrt überhaupt ohne Feindbilder aus? Oder sind Feindbilder (in ihrer kognitiven wie emotionalen Dimension) konstitutiv für so etwas wie Zusammengehörigkeitsgefühle innerhalb größerer Gruppen? Gibt es Personen bzw. Personengruppen, die sich, z. B. aufgrund tradierter feindseliger Bezugnahmen auf sie, als Feindbilder besser „eignen“ als andere – oder kann die „Auswahl“ gänzlich beliebig erfolgen? 

Erwartete Vorkenntnisse

Keine.

Literatur

Agamben, Giorgio: Ausnahmezustand (Frankfurt am Main 2004).

Agamben, Giorgio: Homo sacer. Die souveräne Macht und das nackte Leben (Frankfurt am Main 2002).

Appiah, Kwame Anthony: The Lies That Bind. Rethinking Identity (London 2018).

Arendt, Hannah: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Antisemitismus, Imperialismus, Totalitarismus (20. Aufl. München 2017).

Assmann, Aleida: Identitäten (2. Aufl. Frankfurt am Main 1999).

Bauman, Zygmunt: Die Angst vor den anderen. Ein Essay über Migration und Panikmache. Aus dem Englischen v. Michael Bischoff (Berlin 2016).

Butler, Judith: Excitable Speech. A Politics of the Performative (New York 1997).

Des Forges, Alison: Kein Zeuge darf überleben. Der Genozid in Ruanda. Aus dem Amerikanischen v. Jürgen Bauer (Hamburg 2002).

Donhauser, Gerhard: Angst und Schrecken. Beobachtungen auf dem Weg vom Ausnahmezustand zum Polizeistaat in Europa und den USA (Wien 2015).

Donhauser, Gerhard: Das Böse bleibt. Philosophische Bewältigungsversuche einer un-heimlichen Erbschaft (Wien 2021).

Dworkin, Ronald: Bürgerrechte ernstgenommen (Frankfurt am Main 1990). 

Foucault, Michel: Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses (Frankfurt am Main 1976).

Frank, Claudia/Weiß, Heinz (Hg.): Projektive Identifizierung. Ein Schlüsselkonzept der psychoanalytischen Therapie (Stuttgart 2007).

Freud, Sigmund: Das Unbehagen in der Kultur (1930/31), in: Freud, Sigmund:  Fragen der Gesellschaft. Ursprünge der Religion (= Freud, Sigmund, Studienausgabe, Bd. IX, hg. v Alexander Mitscherlich, Angela Richards u. James Strachey; 6., korr. Aufl. Frankfurt am Main 1993) 191 – 270.

Freud, Sigmund: Massenpsychologie und Ich-Analyse (1921), in: Freud, Sigmund:  Fragen der Gesellschaft. Ursprünge der Religion (= Freud, Sigmund, Studienausgabe, Bd. IX, hg. v Alexander Mitscherlich, Angela Richards u. James Strachey; 6., korr. Aufl. Frankfurt am Main 1993) 61 – 134.

Geertz, Clifford: Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme (4. Aufl. Frankfurt am Main 1995).

Gethmann, Carl Friedrich / Graf, Friedrich Wilhelm (Hg.): Identität – Hass – Kultur (Göttingen 2019).

Gourevitch, Philip: Wir möchten Ihnen mitteilen, daß wir morgen mit unseren Familien umgebracht werden. Berichte aus Ruanda. Aus dem Amerikanischen v. Meinhard Büning (Berlin 2008).

Hetzel, Andreas (Hg.): Alterität und Anerkennung (Baden-Baden 2011).

Huntington, Samuel P.: The Clash of Civilizations and the Remaking of World Order (New York 1996).

Kolnai, Aurel: Ekel, Hochmut, Haß. Zur Phänomenologie feindlicher Gefühle. Mit einem Nachwort von Axel Honneth (Frankfurt am Main: Suhrkamp 2007) 7–65, 100–142.

Koselleck, Reinhart: Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten (3. Aufl. Frankfurt am Main 1995).

Kristeva, Julia: Fremde sind wir uns selbst (5. Aufl. Frankfurt am Main 1995).

Lehmann, Sandra: Hass oder der Impetus der Vernichtung. In: Liebsch, Burkhard/Hetzel, Andreas/Sepp, Hans Rainer (Hg.): Profile negativistischer Sozialphilosophie. Ein Kompendium. Deutsche Zeitschrift für Philosophie, Sonderband 32 (2011) 95.

Miller, Alice: Am Anfang war Erziehung (22. Aufl. Frankfurt am Main 2006).

Schmitt, Carl: Der Begriff des Politischen (3. Aufl. der Ausg. v. 1963, Berlin 1991)

Sen, Amartya: Die Identitätsfalle (München 2010). 

Woodward, Bob: Rage (New York 2020).

Prüfungsinformationen

Im Fall von online durchgeführten Prüfungen sind die Standards zu beachten, die die technischen Geräte der Studierenden erfüllen müssen, um an diesen Prüfungen teilnehmen zu können.

Prüfungsmethode/n

  • Mündliche Prüfung (primäre Prüfungsmethode)
    Konkret: 4 Fragen, Thesen, Zitate, von denen 2 ausgewählt und erörtert werden sollen. Wir unterhalten uns im Rahmen einer Videokonferenz.
    Keine Ja-Nein-Fragen und auch keine reine Reproduktion von „Faktenwissen“; erbeten sind Ausführungen (in Form vollständiger Sätze), die ein gewisses Maß an kritischer Auseinandersetzung mit den gewählten Themen erkennen lassen. Die Fragen werden weit genug formuliert sein, um ganz unterschiedliche Zugänge zu ermöglichen. Die Ausführungen können wahlweise auf Deutsch oder Englisch, gerne auch auf Französisch erfolgen. Den Reader können Sie gerne zur Prüfung mitnehmen.
    Zeitrahmen für die Prüfungen: jeweils ca. 20 Minuten.
    4-5 Prüfungstermine, bedarfsorientiert.
  • Kleine  Arbeiten als Alternative zur mündlichen Prüfung. In diesem Fall wären 3 Texte zu erörtern. 
  • Referate (als dritte mögliche Variante).
  • Mitarbeit bzw. wiederholte Diskussionsteilnahme während der VO ist ausdrücklich erwünscht und kann – ausschließlich in positivem Sinne – in die Note einfließen. 

In begründeten Einzel- und Bedarfsfällen können im Übrigen auch abweichende Lösungen vereinbart werden.

Prüfungsinhalt/e

Themen der Vorlesung.

Beurteilungskriterien/-maßstäbe

Eine eigenständige, reflektierte Beschäftigung mit den Themen der LV soll im Rahmen der Prüfung (VO), eines allfälligen Referats sowie von Diskussionsbeiträgen erkennbar sein.
Wichtiger als die Reproduktion von Wissensbeständen ist aus meiner Sicht erkennbare Beschäftigung mit Themen und Problemstellungen der VO. Deshalb werden bei der Prüfung offene Fragen gestellt, die in so beantwortet werden sollen, dass eine kohärente und konsistente Argumentation Ausdruck findet, desgleichen eine zumindest rudimentäre Beschäftigung mit themenrelevanter Literatur und Bezugnahme auf diese. Im Übrigen wird jede Form von Mitarbeit positiv bewertet, auch dies fließt insofern in die Beurteilung ein.

Beurteilungsschema

Note Benotungsschema

Position im Curriculum

  • Besonderer Studienbereich Besonderer Studienbereich Friedensstudien (SKZ: 900, Version: 05S)
    • Fach: Erweiterungsbereich (Freifach)
      • Weitere anrechnungsfähige LVs aus anderen Studienplänen ( 0.0h / 0.0 ECTS)
        • 210.609 Hass. Zu Formen öffentlicher Feindbildgenerierung als Mittel politischer Wir-Gruppen-Bildung (2.0h VO / 4.0 ECTS)
  • Bachelorstudium Philosophie (SKZ: 541, Version: 20W.1)
    • Fach: Praktische Philosophie (Wahlfach)
      • 4.1 VO aus Praktische Philosophie ( 0.0h VO / 4.0 ECTS)
        • 210.609 Hass. Zu Formen öffentlicher Feindbildgenerierung als Mittel politischer Wir-Gruppen-Bildung (2.0h VO / 4.0 ECTS)
          Absolvierung im 1., 2., 3., 4., 5. Semester empfohlen
  • Bachelorstudium Philosophie (SKZ: 541, Version: 20W.1)
    • Fach: Praktische Philosophie (Wahlfach)
      • 4.4 VO/PS/SE Praktische Philosophie ( 0.0h VO, PS, SE / 20.0 ECTS)
        • 210.609 Hass. Zu Formen öffentlicher Feindbildgenerierung als Mittel politischer Wir-Gruppen-Bildung (2.0h VO / 4.0 ECTS)
          Absolvierung im 1., 2., 3., 4., 5. Semester empfohlen
  • Bachelorstudium Philosophie (SKZ: 541, Version: 20W.1)
    • Fach: Thematische Vertiefung (Wahlfach)
      • VO/PS/SE aus Geschichte der Philosophie/ Theoretische Philosophie/ Praktische Philosophie ( 0.0h VO, PS, SE / 12.0 ECTS)
        • 210.609 Hass. Zu Formen öffentlicher Feindbildgenerierung als Mittel politischer Wir-Gruppen-Bildung (2.0h VO / 4.0 ECTS)
          Absolvierung im 6. Semester empfohlen
  • Bachelorstudium Philosophie (SKZ: 541, Version: 20W.1)
    • Fach: Frauen- und Geschlechterforschung und Diversität (Wahlfach)
      • LVen aus Frauen- und Geschlechterforschung und Diversität ( 0.0h XX / 12.0 ECTS)
        • 210.609 Hass. Zu Formen öffentlicher Feindbildgenerierung als Mittel politischer Wir-Gruppen-Bildung (2.0h VO / 4.0 ECTS)
          Absolvierung im 3. Semester empfohlen
  • Bachelorstudium Philosophie (SKZ: 541, Version: 16W.1)
    • Fach: Praktische Philosophie (Wahlfach)
      • Praktische Philosophie ( 0.0h VO, PS, SE / 36.0 ECTS)
        • 210.609 Hass. Zu Formen öffentlicher Feindbildgenerierung als Mittel politischer Wir-Gruppen-Bildung (2.0h VO / 4.0 ECTS)
          Absolvierung im 1., 2., 3., 4., 5., 6. Semester empfohlen
  • Masterstudium Philosophie (SKZ: 941, Version: 10W.1)
    • Fach: Praktische Philosophie und ihre Geschichte (Wahlfach)
      • Praktische Philosophie und ihre Geschichte ( 0.0h XX / 24.0 ECTS)
        • 210.609 Hass. Zu Formen öffentlicher Feindbildgenerierung als Mittel politischer Wir-Gruppen-Bildung (2.0h VO / 4.0 ECTS)

Gleichwertige Lehrveranstaltungen im Sinne der Prüfungsantrittszählung

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