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Titel: Gemeinsam den Text zur Welt bringen. Ein natologischer Blick auf die mäeutischen Aspekte responsiver Literaturdidaktik
Beschreibung:

Der von ihrem Beginn beim platonischen Sokrates her todesverliebten, will sagen: thanatologisch orientierten abendländischen Philosophie ist seit der Mitte des 20. Jahrhunderts mit Recht eine natologische Wende attestiert worden, also ein Perspektivenwechsel vom Ende des Lebens hin zu dessen Anfang. Im weiteren Bemühen darum, die Konsequenzen dieser Entwicklung für den Bereich der Literaturwissenschaft und hier insbesondere der Literaturdidaktik auszubuchstabieren, stelle ich in meinem Vortrag vor dem Hintergrund des Tagungsthemas Kunst oder Leben? zwei wichtige Dimensionen dessen vor, was ästhetisches Lernen unter solcherart natologisch gewendeten Bedingungen – man könnte auch von einer mäeutischen Literaturdidaktik sprechen – bedeuten würde (wobei in gleichsam sloganmäßiger Verkürzung gälte: Kunst ~ Text bzw. Leben ~ Welt): (1) den Text zur Welt bringen – der natologische Aspekt literarischen Lesens; (2) die Welt zum Text bringen – der natologische Aspekt der Literaturdidaktik.

Konkret durchgeführt wird dies im Ausgang von einem natologischen Blick auf den responsiven Charakter der letzteren anhand von Fragen wie folgenden:

Auf welcher Ebene liegt Responsivität? Wir gehen in der Regel davon aus, in der Unterrichtssituation gehe es darum, die Lernenden dazu zu bringen, sich auf den Text einzulassen / sich vom Text überraschen zu lassen – welche Lehrperson aber lässt sich in der Unterrichtssituation vom Text überraschen; wer ist bereit, einen response auf ihn zu geben, den er / sie nicht vorher schon gegeben hat? In Analogie zu Spinozas Diktum „Man weiß nicht, was der Körper kann“ gilt hier mutatis mutandis: Man weiß nicht, was der Text kann – nicht, weil man es noch nicht weiß, sondern auch wenn man genau zu wissen meint, was der Text kann, weiß man eigentlich nur (und zwar ipso facto), was er konnte (in der eigenen Lektüre, in der Literaturkritik, in der historischen Rezeption). Was er kann, ist aber immer mehr und unvorhersehbar, jenseits der (nicht nur didaktischen) Verfügbarkeit.

Die literaturdidaktisch entscheidende Frage in natologischer Perspektive muss daher lauten: Wer lernt – im Unterricht – ästhetisch? Wenn die Situation so ist, aus welchen Gründen auch immer, dass der/die Lernende im Unterricht nicht auch die Lehrperson selbst sein kann, dass sie sich von der gemeinsamen Lektüre / Besprechung des literarischen Textes überraschen lassen kann, ja dass ihr Verständnis (oder Unverständnis) des Textes in diesem Moment allererst und immer wieder aufs Neue anfängt – dann findet vielleicht Literaturunterricht statt, aber kein ästhetisches Lernen.

Schlagworte: Literaturdidaktik; Mäeutik; Natologie; Responsivität; Jacques Derrida; Georges Bataille; Paul Ricœur; Jean-François Lyotard; Lebensphilosophie; Leben; Tod; Geburt; Anfangen; Hannah Arendt
Typ: Vortrag auf Einladung
Homepage: https://www.uibk.ac.at/ifd/deutsch/tagung-der-fachdidaktik.html
Veranstaltung: Kunst oder Leben? Ästhetisches Lernen in Zeiten globaler Krisen Zweite Tagung des Österreichischen Forums Deutschdidaktik (ÖFDD) (Innsbruck)
Datum: 29.09.2023
Vortragsstatus: stattgefunden (Präsenz)

Zuordnung

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zur Organisation
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Kategorisierung

Sachgebiete
  • 503011 - Fachdidaktik Geisteswissenschaften
  • 503007 - Didaktik
  • 603113 - Philosophie
  • 6020 - Sprach- und Literaturwissenschaften
  • 603101 - Ästhetik
Forschungscluster Kein Forschungscluster ausgewählt
Vortragsfokus
  • Science to Science (Qualitätsindikator: n.a.)
Klassifikationsraster der zugeordneten Organisationseinheiten:
TeilnehmerInnenkreis
  • Überwiegend international
Publiziert?
  • Nein
Keynote-Speaker
  • Nein
Arbeitsgruppen Keine Arbeitsgruppe ausgewählt

Kooperationen

Keine Partnerorganisation ausgewählt