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Titel: Was wir lesen, blickt uns an. Überlegungen zur irreduziblen Mehrdeutigkeit literarischer Texte
Beschreibung:

"Was wir sehen blickt uns an", so der Titel von Georges Didi-Hubermans "Metapsychologie des Bildes", das in der Übersetzung leider eines Bedeutungsaspektes beraubt werden musste und dieDimension der "Verantwortlichkeit" für das, was wir erblicken, nichtmehr sofort erkennen lässt. Im Rückgriff auf Jacques Lacan vertritt Didi-Huberman die - in den Bildwissenschaften mittlerweile allgemeinakzeptierte - These, dass das Kunstwerk uns als eine Instanz begegnet, die seine Rezipient_innen auf unberechenbare Weise affiziert und mit Merkmalen ausgestattet ist, die wir sonst nur einem menschlichen Gegenüber zugestehen würden. Zahlreiche Schriftsteller_innen haben in ihren theoretischen Erörterungen darauf aufmerksam gemacht, dass die Rezeption literarischer Text in ihrerEigenschaft, sich einem vollständigen Verstehen zu entziehen, der zwischenmenschlichen Begegnung insofern ähnle, als sie dessen hermeneutischen Willen wecke, diesen aber durch die uneinholbare Mehrdeutigkeit ihres Gegenstandes an eine Grenze führe. DieseÜberlegungen wurden bislang weder systematisch gesammelt, noch haben diese zu einer konsequenten Theoriebildung in der Literaturdidaktik geführt hat. Anhand von Textauszügen von Hannah Arendt, Jean-PaulSartre, Jacques Derrida, Herta Müller, Ulrike Draesner und PeterSloterdijk möchte dieser Vortrag daher zunächst die theoretische Basis eines Wissenschaftskonzeptes skizzieren, das die ästhetischenEigenheiten des literarischen Textes, seine Mehrdeutigkeit und die daraus resultierende Inkommensurabilität ins Zentrum didaktischer Überlegungen stellt.Dieser Zugang zur Kunst wird schon seit geraumer Zeit in den Bildwissenschaften und der Kunstpädagogik konsequent vertreten, was zumindest hypothetische Rückschlüsse auf die Anwendbarkeit dieses Konzeptes auf die literaturdidaktische Praxis zulässt. 

Auf den ersten Blick widersetzen sich die hier vertretenen Grundideen dem Ideal eines derzeit gängigen bildungspolitischen Anspruchs auf eine Didaktik, die "verwertbare"Ergebnisse liefert. Definiert man allerdings die Befähigung zur Entwicklung einer "anfänglichen" Haltung im Sinne Arendts als ein wesentlichesBildungsziel, das in einer kulturell und ideologisch vielfältigen Welt als hermeneutischer Ansatz keinesfalls fehlen darf, dann wird der Umgang mitAmphibolie und Inkommensurabiltät, etwa in der Begegnung mit bildender Kunst,Literatur und Film, zum Paradigma für ein der Welt zugewandtes Lernen, das auch ethische Ansprüche einzulösen vermag. Die Art, wie wir uns dem mehrdeutigen Kunstwerk nähern, es zu verstehen versuchen und seine und unsereGrenzen zu erkennen und zu respektieren vermögen, könnte unter diesem Aspektbetrachtet zu einer neuen, zeitgemäßen Begründung des ästhetischen Lernens und seiner Unersetzlichkeit durch andere, aneignende Formen des Lernens beitragen.  

Schlagworte: Hermeneutik, Nichtverstehen, Anfänglichkeit, Arendt, Sloterdijk, Mehrdeutigkeit
Typ: Vortrag auf Einladung
Homepage: https://deutscher-germanistenverband.de/27-deutscher-germanistentag-2022/
Veranstaltung: 27. Deutscher Germanistentag 2022 (Paderborn)
Datum: 27.09.2022
Vortragsstatus: stattgefunden (Präsenz)

Zuordnung

Organisation Adresse
Fakultät für Kultur- und Bildungswissenschaften
 
Institut für Germanistik
 
Abteilung für Fachdidaktik
Universitätsstr. 65-67
9020 Klagenfurt
Österreich
http://www.uni-klu.ac.at/deutschdidaktik/
zur Organisation
Universitätsstr. 65-67
AT - 9020  Klagenfurt

Kategorisierung

Sachgebiete
  • 503011 - Fachdidaktik Geisteswissenschaften
  • 602003 - Allgemeine Literaturwissenschaft
Forschungscluster Kein Forschungscluster ausgewählt
Vortragsfokus
  • Science to Science (Qualitätsindikator: n.a.)
Klassifikationsraster der zugeordneten Organisationseinheiten:
TeilnehmerInnenkreis
  • Überwiegend international
Publiziert?
  • Nein
Keynote-Speaker
  • Nein
Arbeitsgruppen Keine Arbeitsgruppe ausgewählt

Kooperationen

Keine Partnerorganisation ausgewählt