Stammdaten

Titel: ‚Doing HCB‘ – Dimensionen des öffentlichen HCB-Diskurses
Beschreibung:

Am 26. November 2014 wurde von der Kärntner Landesregierung bekanntgeben, dass der Schadstoff Hexachlorbenzol, kurz HCB, bei Untersuchungen in Milch und Futtermitteln landwirtschaftlicher Betriebe im Görtschitztal gefunden worden war. Das Görtschitztal mit den Gemeinden Brückl, Eberstein, Klein Sankt Paul und Hüttenberg ist eine geografische Region, die im Bezirk Sankt Veit nördlich der Kärntner Landeshauptstadt Klagenfurt liegt. Das HCB war aufgrund unzureichender Temperaturen beim Brennen von belastetem Blaukalk der in Brückl ansässigen Donau Chemie AG freigesetzt worden. Für die Verbrennung verantwortlich waren die Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke, einer der größten Arbeitgeber im Tal. HCB reichert sich in der Umwelt und in der Nahrungskette an, wovon besonders die Landwirtschaft betroffen war, da durch den Schadstoff neben Futtermitteln und Milch auch Fleisch kontaminiert wurde. Diese Vorkomm-nisse und ihre Konsequenzen waren unter anderem als „HCB-Skandal“, „HCB-Belastung“ oder „HCB-Fall“ Gegenstand eines öffentlichen Diskurses, der zu den Kernthemen der medialen Berichterstattung in Kärnten und auch österreichweit im Jahr 2015 zählte und das Bild des Görtschitztals als ‚Gift-Tal‘ über die Landesgrenzen hinaus noch bis heute bestimmt. Auf Basis des interpretativ-analytischen Forschungsprogramms der Wissenssoziologischen Diskursanalyse (Reiner Keller) wurde in einer kulturanalytischen Arbeit die diskursive Konstruktion der HCB-Causa analysiert. Es ging dabei primär (aber nicht nur) um sprachliche Performanz, im konkreten Fall um diskursive Praktiken des Sprachgebrauchs, mit denen innerhalb der Causa Identitäten hergestellt und performt wur-den und werden. Hierfür wurden unter anderem die Dimensionen des öffentlichen HCB-Diskurses untersucht, die ihn als Prozess akteur*innenspezifischer Krisenkommunikation und als Ringen bestimmter Typen von Teildiskursen, sogenannter „Risikodiskurse“ (Christoph Lau), um Hegemonie und Deutungshoheit begreifbar machen. Neben narrativen Mustern der Versachlichung, Skandalisierung und Drama-tisierung kommt hier vor allem naturwissenschaftlichem und technischem (Experten-)Wissen eine gewichtige Rolle zu. Grund genug, Anknüpfungspunkte für eine ‚kritische‘ Empirische Kulturwissenschaft bzw. eine relationale Kulturanalyse zu suchen, die sich auf die Untersuchung von Wissenspolitiken und Wissensregimen diskursiv-kommunikativer Prozesse, die Öffentlichkeiten konstituieren (Stichwort: Öffentlichkeit problematisieren), beziehen. Zudem kann die Empirische Kulturwissenschaft dabei helfen, den ‚Sprung in die Materialität‘ zu wagen, d. h. der Frage nachzugehen, wie sich Dispositive und diskursive Praktiken im lebensweltlichen Alltag von Akteur*innen entlang sozialer Ordnungen materialisieren und manifestieren, und wie – aus einer diachronen Perspektive betrachtet – solche institutionalisierten und habituell gewordenen Manifestierungen wiederum mit dem Auftauchen und Verschwinden von Diskursen sowie mit der Hegemonie und Marginalität von Diskursen und ihren Akteur*innen in der demokratischen Öffentlichkeit zusammenhängen.

Schlagworte: HCB; Görtschitztal; Diskursanalyse; Empirische Kulturwissenschaft; Diskursethnografie; Kulturanalyse; Wissenssoziologische Diskursanalyse; öffentlicher Diskurs; Risiko; Umweltdiskurs; Expert*innenwissen; Öffentlichkeit
Typ: Angemeldeter Vortrag
Homepage: https://www.volkskundemuseum.at/tagung_oeffentlichkeit
Veranstaltung: 29. Tagung des Österreichischen Fachverbands für Volkskunde: Problematisieren und Sorge tragen: Kulturanalytische Konzepte von Öffentlichkeit und Arbeitsweisen des Öffentlichmachens (Wien)
Datum: 08.05.2021
Vortragsstatus: stattgefunden (online)

Zuordnung

Organisation Adresse
Fakultät für Kultur- und Bildungswissenschaften
 
Institut für Kulturanalyse
 
IFK - Abteilung Empirische Kulturwissenschaft/Kulturanthropologie
Universitätsstr. 65-67
A-9020 Klagenfurt
Österreich
zur Organisation
Universitätsstr. 65-67
AT - A-9020  Klagenfurt

Kategorisierung

Sachgebiete
  • 504010 - Europäische Ethnologie
  • 504017 - Kulturanthropologie
Forschungscluster Kein Forschungscluster ausgewählt
Vortragsfokus
  • Science to Science (Qualitätsindikator: I)
Klassifikationsraster der zugeordneten Organisationseinheiten:
TeilnehmerInnenkreis
  • Überwiegend international
Publiziert?
  • Nein
Arbeitsgruppen Keine Arbeitsgruppe ausgewählt

Kooperationen

Keine Partnerorganisation ausgewählt