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Die Auflösung der menschlichen Natur
Beschreibung: Als animal rationale ist der Mensch seit jeher dazu bestimmt, erst zu werden was er ist. Bisher beschränkte sich dieser Werdensprozess auf den geistigen Menschen, der durch Erziehung "gebildet" werden musste, während der natürliche Pol relativ unberührt blieb. Der Mensch war zwar in hohem Maße manipulierbar, nie aber herstellbar, insofern die "Natur" des Menschen unverfügbar blieb. Mit dem Aufkommen der Biowissenschaften fällt der Begriff der menschlichen Natur - verstanden als vorgegebener Ausgangspunkt und faktische Grenze der menschlichen Selbstmanipulation - und damit der Begriff der "Natur" überhaupt, auch in seiner normativen, bzw. substantialistischen Bedeutung. Was kann im Zeitalter der Biotechnologie die Rede von einer menschlichen Natur noch heißen, und welche Auswirkungen hat diese Auflösung der menschlichen Natur auf die Erfahrung des Menschen von sich selbst? Denn mit der Verwischung der Grenzen zwischen "Gewachsenem" und "Gemachten" deutet sich der Beginn einer posthumanen Epoche an. In Bezug auf diese Fragestellung lassen sich in der Literatur derzeit zwei Richtungen unterscheiden. Eine "konservative", die unter Rückgriff auf das Normativitätspotential des Naturbegriffes an einem, im weitesten Sinne des Wortes, substantialistischen Menschenbild festhält - insofern sie die Unverfügbarkeit der Naturwüchsigkeit des Menschen als Bedingung der Möglichkeit des autonomen Subjekts postuliert - und eine "progressive", die in der praktischen Destruktion jeglicher Natur des Menschen durch die Möglichkeiten der Biotechnologien die endgültige Verwirklichung der menschlichen Emanzipation durch radikale Naturbeherrschung sieht. Beide Positionen sind problematisch, denn der Wunsch, die Unverfügbarkeit des Menschen mit Hilfe einer "Moralisierung der menschlichen Natur" zu retten, scheint nur über die paradoxe Setzung eines metaphysischen "Wesens" des Menschen erreichbar, was diese Position einerseits in die Nähe substanzmetaphysischer Traditionen rückt und andererseits zumindest latent biologistische Tendenzen aufweist, insofern das Wesen des Menschen in seinem natürlichen (unverfügbaren) Gewordensein verortet wird, womit das aristotelische Modell des Menschen als Zusammenspiel von ratio und animalitas in Richtung der animalitas verschoben wird. Die emanzipatorische Position löst demgegenüber die aristotelische Definition einseitig zu Gunsten der ratio auf, insofern sie die "Natur des Menschen" der manipulatorischen Willkür der Vernunft preisgibt. Der Tragik der "Dialektik der Aufklärung" gemäß, steht diese moderne bzw. postmoderne Allmachtsphantasie den Menschen durch die völlige Beherrschung seiner Natur endgültig zu befreien, in der Gefahr, in totale Unfreiheit umzuschlagen. Gleichzeitig aber verweisen diese Aporien auf die Notwendigkeit, den Menschen als "Leib-Seele-Einheit" erneut zu bedenken. (www.univie.ac.at/transformation/dissolution) Martin G. Weiß
Schlagworte: Biotechnologie, Anthropologie, Natur, Ethik, Posthumanismus
Kurztitel: n.a.
Zeitraum: 01.01.2005 - 01.10.2008
Kontakt-Email: martin.weiss@uni-klu.ac.at
Homepage: http://www.univie.ac.at/transformation/dissolution/index.htm

MitarbeiterInnen

MitarbeiterInnen Funktion Zeitraum
Martin Weiß (intern)
  • Projektleiter/in
  • 01.01.2005 - 01.10.2008

Kategorisierung

Projekttyp Forschungsförderung (auf Antrag oder Ausschreibung)
Förderungstyp §26
Forschungstyp
  • Grundlagenforschung
  • Sonstige Forschung
Sachgebiete
  • 6116 - Hermeneutik (6626) *
  • 6117 - Medizinische Ethik (3923) *
  • 6114 - Philosophische Anthropologie *
  • 6107 - Naturphilosophie *
Forschungscluster Kein Forschungscluster ausgewählt
Genderrelevanz 10%
Projektfokus
  • Science to Science (Qualitätsindikator: n.a.)
Klassifikationsraster der zugeordneten Organisationseinheiten:
  • Für die zugeordneten Organisationseinheiten sind keine Klassifikationsraster vorhanden
Arbeitsgruppen Keine Arbeitsgruppe ausgewählt

Kooperationen

Keine Partnerorganisation ausgewählt